Beschreibung: 

„Bin ich jetzt gefangen? Sitze im goldenen Käfig, festgehalten durch diesen Ring?“
Bam, was für ein Gedanke ist das denn? Er ist plötzlich ungebremst und ohne Vorwarnung in meinem Kopf, beim Blick auf meinen Ehering, den ich erst seit wenigen Stunden trage. Wie komme ich darauf? Ich weiß es nicht, den Hochzeitsreden höre ich nur mit halbem Ohr zu, und eigentlich sollte doch alles ganz großartig sein. Aber in diesem Moment habe ich auf einmal das Bild vom Käfig im Kopf und weiß nicht, ob ich laut loslachen soll oder einfach nur heulen.
Meine Gedanken kreisen, und plötzlich ist es so heiß – vielleicht eine Nebenerscheinung der Schwangerschaft , oder doch die pure Panik? Atmen, Sonja – einfach nur atmen, dann geht’s gleich wieder...12 Aber wenn ich jetzt vielleicht doch im Käfig sitze? Muss das denn sein? Bis gerade eben ist unser Tag doch noch bestens verlaufen, ohne komische Gedanken. Eine Märchenhochzeit, wie sie im Buche steht – alles weiß in weiß, eine traumhafte Location, meine dreistöckige Hochzeitstorte, eine begnadete Pianistin, mein Vater mit einer herzzerreißenden wunderbaren Rede, das vorzügliche Essen... – das mir jetzt fast wieder hochkommt.
Ich schaue mich um. Unsere lieben Hochzeitsgäste sind mit sich und den Reden beschäftigt, nur meine beste Freundin Caro scheint meinen Stimmungswechsel zu bemerken. Sie schaut mich mit einem Blick an, der mehr als 1000 Worte sagte: „Na Maus, wie siehst du denn aus? Hauen wir gleich ab oder willst du dir den Rest noch antun?“
Tja, wäre ich nicht im 5. Monat schwanger und total verliebt, sollte ich mir das wirklich nochmal überlegen. Fremdbestimmt zu sein, ja, das wird neu für dich, Sonja – alle kennen dich doch nur als freiheitsliebenden Workaholic.
Klar, du und zu Hause bleiben, dich nur noch um Kind und Kegel kümmern, wem willst du das denn erzählen? Das bist du nicht - du lebst für deinen Job! Ist das wirklich richtig, was du da gerade machst? Ich gebe mir einen Ruck und schüttle die Gedanken ab. Heute ist Hochzeit! Es wird schon alles gut werden! Aber das Bild der Ehefrau, die vor allem dazu da ist, ihre Pflichten zu erfüllen, das sitzt tief hinten in meinem Kopf und will nicht mehr weggehen...