Beschreibung:
Liebe Leserin, lieber Leser,
Als ich vor mehr als einem Jahrzehnt meinem ersten Buch zum Thema Schulmanagement den Untertitel „Philosophie – Theorie – Praxis“ hinzufügte, kam mehrfach die Rückmeldung, dass diese Verbindung ungewöhnlich sei. Bestärkt durch eine Artikelreihe in einer österreichischen Tageszeitung unter dem Titel „Philosophie & Management“ mit einem Plädoyer für eine Kultur des Nachdenkens nahm ich meine ursprüngliche Idee wieder auf, dass Schule ohne Denken undenkbar sei (Heinz Palasser und Bernd Wass, Standard 2015, 5. Teil).
Damals wie heute bin ich der Überzeugung, dass viele Reformversuche daran scheitern, dass zu schnell gehandelt und zu wenig philosophiert wird. Philosophie – in der Bedeutung Liebe zur Weisheit – braucht Menschen, die bereit sind, vorzudenken, mitzudenken und nachzudenken. Menschen, die bereit sind, dem Sinn, der Bedeutung des eigenen Handelns Raum und Zeit zu geben. Das schützt vor blindem Aktionismus und einer Torheit, die Mark Twain in einem Zitat beschrieben hat:
Nachdem wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengung.
Philosophie ist nicht Selbstzweck. Philosophie ist im strengen Sinn des Wortes auch keine Wissenschaft. Sie liefert keine allgemeingültigen Erkenntnisse. Dennoch hat sie eines mit der Wissenschaft gemeinsam, nämlich den Anspruch, nicht nur existierende Fragen zu beantworten, sondern neue, bessere zu finden. Philosophie beschäftigt sich mit Fragen unseres Seins und generiert daraus wieder unzählige Fragen. So gesehen ist Philosophie unendlich. Diese Unendlichkeit ist eine unerschöpfliche Ressource. Philosophische Erkenntnisse verbinden Weltsicht mit Weitsicht. Sie bilden im Sinne eines philosophischen Daches auf der Metaebene Konsens ab, bieten Orientierung und Entscheidungshilfe, unterstützen unser reflexives Denken und Handeln und prägen wesentlich die Feedbackkultur.
Philosophie ist Teil des roten Fadens durch dieses Buch. Sie findet sich in der Triade des Vordenkens, Nachdenkens und Mitdenkens in bildungspolitisch relevanten Fragestellungen zum Thema Schulmanagement mit dem Fokus Schulqualität Allgemeinbildung (SQA) und unterstützt in der Umsetzung im Schulalltag den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis.
„Auf Dauer nimmt die Seele die Farben deiner Gedanken an“, sagte einst Marc Aurel. „Achte auf deine Gedanken, sie werden zu Worten. Achte auf deine Worte, sie werden zu Handlungen“ schrieb ein unbekannter Dichter. Unserem Zeitgeist entsprechend verkürzt wurde daraus das Sprichwort „Denken ist Handeln im Kopf“ oder umgesetzt in die moderne Managementsprache „Veränderungen beginnen im Kopf“. Die Denkebene darf nicht wegrationalisiert werden und ist wertvolle Arbeitszeit, die sich in nachfolgenden Handlungsprozessen mehr als „rechnet“: Mehrwert und Gewinn liegen in Bedeutungsgebung und Sinnfindung, beides Grundlage für Motivation und Belastungserleben.
Philosophie ist der Bogen, der sich über das Thema Schulqualität spannt. Philosophisches Denken braucht Freiräume mit der Möglichkeit, das Eigene im Fremden zu sehen und gemeinsam Mehrwert zu generieren. Den Eigensinn zu einem Gemeinsinn (Konsens) wachsen und werden zu lassen, ist Teil der Zielfindungsprozesse und in Folge der Entwicklungsprozesse im schulischen Kontext. Die Chance, daraus nachhaltige und wirksame Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen, steigt mit dem Mut zur Steuerung und der Übernahme bildungspolitischer Verantwortung.
Philosophisches Denken führt über Denkräume in Handlungsräume und begleitet Wege in die Zukunft.
Philosophisches Denken unterstützt uns,Lernende zu bleiben und begleitet uns auf unserem Weg von Wissenden zu Weisen.
Dr. Marlies Henzl
Februar 2018